Warum ein Arbeitgeber seine Mitarbeitenden dazu aufruft, sich beruflich zu organisieren
Wer verstehen will, weshalb der Regensburger Caritasdirektor seine Mitarbeitenden dazu auffordert, sich beruflich zu organisieren und für sich selbst einzustehen, muss ins Jahr 1985 zurückblicken. Damals war er siebzehn Jahre jung und besuchte die elfte Klasse einer Fachoberschule. Ein Pflichtpraktikum stand an, vier Wochen lang, „ich hatte keinen Plan, was ich tun wollte“, erinnert sich der Caritasdirektor Michael Weißmann. Sein Lehrer schickte den Elftklässler schließlich ins Pflegepraktikum.
Dieser Zufall ließ ihn sein Lebensthema entdecken. Von da an hatte der Junge einen Plan. Er erlernte den Beruf des Krankenpflegers und arbeitete mehr als zehn Jahre sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Krankenpflege. „Ich war fasziniert vom ersten Tag an“, sagt der Caritasdirektor heute. Er inhalierte die Geschichten der Patientinnen und Patienten, er löcherte die Kolleginnen und Kollegen mit Fragen und nach Dienstschluss mussten sie ihn nach Hause schicken, sonst wäre er zur Nachtschicht geblieben.
Vom Pflegenden zum Arbeitgeber
Vierzig Jahre später sitzt Michael Weißmann in seinem Büro in der Caritaszentrale, erster Stock, und seine Faszination für die Pflege ist noch immer dieselbe – nur die Perspektive hat sich geändert. Er blickt nicht länger als Pflegender auf den Patienten, sondern als Arbeitgeber auf die Versorgung der Pflegebedürftigen. Diese sieht er in Gefahr. Personal fehlt, die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Der demografische Wandel werde kollektiv verdrängt.
Für eine Versorgung, die Zukunft hat
Knapp 2000 Pflegefachpersonen arbeiten für die Caritas in der Region Regensburg, in Krankenhäusern, in Alten- und Pflegeheimen, in Tagespflegen, in der ambulanten Pflege. Caritasdirektor Michael Weißmann ruft sie nun dazu auf, sich in einer starken beruflichen Selbstverwaltung zu organisieren, sich politisch zu engagieren, für sich und die eigene Berufsgruppe einzustehen. „Ich weiß, was es heißt und wie wichtig es ist, gute Pflege zu bekommen“, sagt Weißmann. „Das spornt mich an, für diese Berufsgruppe zu kämpfen.“
Als sich Weißmann im Jahr 1986 um einen Ausbildungsplatz bewarb, war er einer von tausend Bewerbern auf 35 Ausbildungsplätze. „Heute kämpfen wir um jeden neuen Mitarbeitenden“, sagt Weißmann. Woran das liegt, darüber kann auch er nur spekulieren. Wollen junge Leute heute eher technische Berufe? Sind Themen wie Alter, Schwäche, Sterben gesellschaftlich tabuisiert? Selbst Eltern und Lehrende würden Jugendlichen vom Pflegeberuf abraten.
„Pflegeprofis müssen sich einmischen“
Dabei sind die professionell Pflegenden die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen. „In ihnen steckt so viel Potenzial!“, sagt Weißmann. Viele seien aber frustriert, weil sie sich als Empfänger von Vorgaben wahrnähmen, die ihnen die Politik auferlege. „In der Politik reden und entscheiden Menschen über die Pflege, die noch nie einen weißen Kittel anhatten.“ Das müsse sich ändern. „Pflegeprofis müssen sich einmischen und mitentscheiden.“
Für mehr Berufsstolz
Deshalb bietet der Diözesan-Caritasverband Regensburg e.V. für Pflegefachpersonen eine neue kostenfreie Fortbildungsreihe an mit dem Titel „Berufspolitik verstehen“. Sie erfahren dort, wie politische Mitsprache gelingt und was beispielsweise eine Pflegekammer bewirken kann. Der Krankenpfleger und heutige Caritasdirektor hofft damit in Zukunft auf mehr Pflegeprofis nicht nur am Pflegebett, sondern auch auf den Podien in Politik und Gesellschaft. Er sagt: „Pflege muss laut sein. Pflege darf stolz sein. Und Pflege muss sich zeigen.“
„Pflege muss laut sein“
Die Bildungsinitiative wird begleitet von der Kampagne #TrommelnFürDiePflege. Der Caritasverband bietet Pflegenden auf der Webseite www.trommeln-fuer-die-pflege.de eine Plattform. Dort verraten Pflegeprofis, wofür sie trommeln und was die Pflege für eine gute Zukunft braucht. Einige Statements werden in kurzen Reels auch in den sozialen Medien geteilt. Weißmann sagt: „Wir sind viele in der Pflege, trommeln wir gemeinsam!“
Sein Ziel für die Zukunft ist klar: gut ausgebildete Pflegefachpersonen, die den Wert ihres Berufs kennen, selbstbewusst auftreten und in einer Gesellschaft leben, die Pflege nicht nur braucht, sondern auch anerkennt. „Ich wünsche mir, dass Pflegebedürftige bis zum Ende menschlich begleitet werden – und dass die, die das leisten, auch die Rahmenbedingungen haben, das zu tun.“